Dienstag, 26. Januar 2016

"Nichts über uns ohne uns"

Berliner Robert Grund engagiert sich in Nordkorea für Gehörlose und ihre Selbstbestimmung

Der Berliner Robert Grund setzt sich in Nordkorea für gehörlose Kinder ein. Seine erste Reise in das isolierte Land unternahm er, als er gerade erst volljährig war. Gegen Widerstände verfolgt er dort seither sein Ziel.

Von Dirk Godder
Berlin/Pjöngjang (dpa) • „Hier, alles selber gemacht“, schreibt Robert Grund auf einer Tafel. Stolz zeigt der Berliner auf den Holzrahmen des Eingangs zu einem Gebäude mitten in Pjöngjang, bevor er sieben Bundestagsabgeordnete durch die Räume führt. Drinnen werden die Mitglieder der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe von einer Schar tanzender Kinder empfangen. Begleitet von Klaviermusik besingen sie den «großen Marschall Kim Jong Un», den Machthaber des Landes. Zu der Gruppe gehören aber auch Kinder, die wie Robert Grund gehörlos sind. Die Vorstellung soll den Abgeordneten, die in Nordkorea unterwegs sind, einen Eindruck davon geben, was hier gerade entsteht: der erste Kindergarten für gehörlose Kinder in Nordkorea.

Seit seiner ersten Reise in das ostasiatische Land vor elf Jahren hat Grund bereits viel bewegen können. So half er unter anderem, dass ein Gehörlosenverband gegründet wurde und Nordkoreaner zu Gehörlosenkongressen ins Ausland fahren können. Für den 30-Jährigen ist nun der Kindergarten Teil eines größeren Ziels: Er will vor allem, dass die Gehörlosen über die für sie gedachten Förderprojekte selber bestimmen können. Das Arbeitsmotto seines Vereins lautet: „Nichts über uns ohne uns.“

Damit der Kindergarten jedoch nicht in der Projektphase steckenbleibt, muss mit Genehmigung der Behörden noch viel getan werden. Zum Beispiel für die Ausstattung des Kindergartens, vor allem aber müssen genügend Pflegerinnen gefunden werden, die die Gebärdensprache beherrschen. Weitere Kindergärten in vier anderen Provinzen sind schon geplant.

„Robert hat dafür gesorgt, dass die Gehörlosen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können“, sagt Renée Rentke von der Asien-Abteilung des Hilfswerks Misereor. Robert Grund habe schon dadurch viel erreicht, dass er so hartnäckig gewesen sei. Die Arbeit der nichtstaatlichen Organisationen und Stiftungen aus Deutschland und anderen Ländern sei oft kompliziert.

„Sie machen es kompliziert und bürokratisch“, sagt auch Grund. Er habe aber gesagt, wenn Kindergärten ohne Unterricht in Gebärdensprache eingerichtet würden, fliege er nach Hause. Das sei angekommen. Seine Arbeit werde respektiert. Bei einer Bevölkerung von etwa 24 Millionen schätzt er die Zahl der Gehörlosen auf 240 000 bis 480 000. Im Land gibt es nur acht Schulen für Gehörlose.

Als Grund als Teenager in Deutschland eine TV-Dokumentation über Nordkorea sieht, kann er nicht glauben, was er erfährt: In dem Land soll es angeblich keine Gehörlosen geben. Davon wollte er sich selbst überzeugen. Als er volljährig ist, beantragt er sein erstes Visum für Nordkorea und reist danach häufiger in das Land. Zusammen mit einer deutschen Geschäftsfrau gründet er 2008 den Verein «Zusammen - Bildungszentrum für gehörlose, blinde und nichtbehinderte Kinder Hamhung». Seit 2013 lebt er in Pjöngjang, reist aber ab und zu nach Deutschland, um Sponsoren für seine Projekte aufzutreiben. „Ohne Misereor gäbe es den Kindergarten nicht“, sagt er.

Der Kindergarten soll möglichst Teil eines Bildungszentrums für gehörlose, blinde und nichtbehinderte Kinder werden. Ursprünglich sollte das Zentrum in einem Neubau untergebracht werden, doch der Staat warf das Projekt über den Haufen. Schließlich wurde dem Verein die Nutzung eines sanierungsbedürftigen Gebäudes angeboten. Die oberen fünf Stockwerke befinden sich noch im Rohbauzustand, oben auf dem Dach gibt es eine provisorische Werkstatt. 18 gehörlose Jugendliche stellen dort etwa Schmuck aus Holz her.

Geplant ist eine komplette Holzwerkstatt. Eigentlich sollte das Gebäude schon lange fertig sein. „Wir haben kein Geld, doch es wird langsam größer“, sagt eine Mitarbeiterin des koreanischen Wirtschaftskulturzentrums für Gehörlose und Blinde (KECCDB).

Mit freundlicher Genehmigung von dpa

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