Beitrag aus dem Magazin Korea forum 2017, S. 58-59:

Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention trotz verschärfter Sanktionen

Ein Interview mit Robert Grund zu seiner Arbeit in Nordkorea

Yann Werner Prell

Während Ihrer Zeit in Nordkorea von 2013 bis 2016 konnten im Rahmen des ersten Vierjahresaktionsplans des Weltverbandes der Gehörlosen in Helsinki und der Koreanischen Vereinigung für den Schutz der Behinderten in Pyongyang viele Organisationen der Behinderten in Nordkorea gegründet bzw. aufgebaut werden, unter anderem der Gehörlosenverband, der Blindenverband, der Gebärdensprachdolmetscherverband und ein Gehörlosenkindergartenin Pyongyang. Vor einem Jahr, im Oktober 2016, sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt.

 Inwiefern hat sich die Arbeit dieser Organisationen seit Ihrer Abwesenheit geändert?
Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, damit auch nach Ihrem Abflug die Arbeit weitergehen wird?

 Die Arbeit dieser Organisationen wurde trotz meiner Abwesenheit mit Erfolg fortgesetzt. Sie müssen aber inzwischen viele neue Herausforderungen erleben und Schwierigkeiten meistern.
 Im Jahr 2015 habe ich nach der Errichtung des Gehörlosenzentrums, das auch Sitz des Gehörlosenverbandes Nordkoreas ist, versucht meine Unterstützung zu verringern und die Gehörlosen stärker zu unterstützen, damit sie mit den zuständigen Vertretern der Behindertenvereinigung selbst direkt sprechen und ihre Wünsche oder Bedürfnisse zu äußern. Die Kommunikation funktioniert durch den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers gut. Genau diese Maßnahme haben wir schon vor der Errichtung des Gehörlosen- und Blindenverbandes gründlich ausgearbeitet, um Kommunikationsbarrieren zwischen Gehörlosen und Blinden abzubauen und zudem die Gründung des Gebärdensprachdolmetscher-Verbandes Koreas (März 2014) durchzusetzen.
 Es fiel mir manchmal schwer, nicht über die Wünsche und Vorschläge der Gehörlosen Nordkoreas mit den zuständigen Vertretern zu sprechen, sondern Gehörlose dazu zu ermutigen, selbst aktiv zu werden. Gehörlose wunderten sich dann oft über meine Verweigerung. Aber durch die Studienreise der Gehörlosen aus Nordkorea in das Ausland haben sie selbst erkannt, wie selbständig Gehörlose sind beziehungsweise wie Gehörlose in der Lage sind, eine verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen und auch selbst umzusetzen. Sie brauchen auch Vorbilder, um selbst gestärkt zu werden. Das ist eine speziell für Gehörlose maßgeschneiderte Maßnahme, um selbstbewusster und damit auch selbständiger zu werden. Ich würde diese maßgeschneiderte Maßnahme als »Hilfe zur Selbsthilfe auf Basis von NAUWU« nennen (NAUWU ist eine Abkürzung für Nothing About Us Without Us – Nichts Über Uns Ohne Uns).
 Je größer und umfangreicher die Gehörlosenarbeit ist, desto mehr Schwierigkeiten müssen sie meistern, auch wegen des Mangels an Gebärdensprachdolmetschern. Aber sie haben schnell und selbstständig die Schwierigkeiten erkannt und eine geeignete Maßnahme ergriffen: Schulung der Gebärdensprachdolmetscher/innen bzw. Intensivierung der Zusammenarbeit bzw. Kommunikation mit der Weltvereinigung der Gebärdensprachdolmetscher/innen – WASLI – World Association of Sign Language Interpreters.

 Wie gestaltet sich Ihre Zusammenarbeit mit den Organisationen in Nordkorea von Deutschland aus? Haben Sie weitere gemeinsame Projekte geplant?
 Zurzeit wird von koreanischer Seite der Entwurf zum zweiten Vier-Jahresaktionsplan des Weltverbandes der Gehörlosen (WFD) und der Koreanischen Vereinigung für den Schutz der Behinderten (KFPD) ausgearbeitet. Bei der nächsten Vorstandssitzung des Weltverbandes der Gehörlosen in Ghana im Mai 2018 wird über eine Fortsetzung entschieden.
 ZUSAMMEN-Hamhung und der Gehörlosenverband Korea sollen in die Fortsetzung der in 2012 unterzeichneten Absichtserklärung des WFD und der KFPD einbezogen werden. In meiner Funktion als nichtständige Vertretungsperson vermittle ich die Interessen beider oben genannten Organisationen bis zur möglichen Unterzeichnung der Fortsetzung der Absichtserklärung und des zweiten Vierjahresaktionsplans. Das ist mit einer großen Herausforderung unter unterschiedlichen aktuellen Aspekten verbunden, trotzdem sollte man versuchen, das Beste zugunsten der gehörlosen und hörbehinderten Menschen in Nordkorea zu schaffen.

 Wirkt sich die derzeit angespannte Situation nach dem Atomwaffentest im Januar 2017 auch auf die Projekte dieser Organisationen aus?
 Die Projekte beziehen sich ausschließlich auf die Ideen, den Geist und die Interessen der UN Behindertenrechtskonvention. Diese dürfen nicht durch die UN-Sanktionen gegen Nordkorea angesichts der mehrmaligen stattgefundenen Atomwaffenteste behindert werden. Durch die mehrmalig verschärften Sanktionen gegen Nordkorea ist die Verschärfung der Visumvergabe durch das Auswärtige Amt für Nordkoreaner deutlich spürbar. Vorsorglich habe ich mich an die UN-Sonderberichterstatterin für Menschen mit Behinderungen, Frau Catalina Devandas-Aguilar mit einer Bitte um Diskussion über die Rolle der sowohl von der BRD als auch von der DVRK ratifizierten UN Behindertenrechtskonvention in der UN-Sanktion gegen Nordkorea gewendet und bekam erfreulicherweise eine Einladung zu einem nächstmöglichen Gesprächstermin in Genf im Februar 2018.
 Erlauben Sie mir, meine Sorgen auszudrücken: Die UN-Sanktion gegen Nordkorea bringt neue Herausforderungen für die in Pyongyang ansässigen internationalen Hilfsorganisationen, da die Möglichkeiten zur Finanzierungsförderung sehr stark eingeschränkt sind. Aus diesem Grund wurde unsere Behinderung als Mittel zum Zweck genutzt um eine Finanzierung zu ermöglichen und die Kompetenz der Hilfsorganisationen im Bereich der Behinderten kaum oder wenig berücksichtigt.
 Es gibt weitere Beispiele, dass die von der EU geförderten und von internationalen Hilfsorganisationen in Nordkorea durchgeführten Projekte dem Geist und Sinn der UN BRK nicht entsprechen. Leider habe ich kaum oder wenig Lobbyisten. Dennoch versuche ich beim Gespräch mit Frau Devandas-Aguilar darauf hinzuweisen.

Das Interview wurde im Januar 2018 von Yann Werner Prell geführt.

ROBERT GRUND
hat eine Berufsausbildung als Reiseverkehrskaufmann bei China
Tours GmbH in Hamburg gemacht (2006-2009). Von 2007 bis 2012
vermittelte er in Zusammenarbeit mit der Korean International
Travel Company (KITC) Individual- und Gruppenreisen nach Nordkorea
über die Reisegesellschaft TSCHOLLIMA Reisen. Seit 2008
ist er Verbindungsbeauftragter des Weltverbandes der Gehörlosen
(WFD) für die Koreanische Vereinigung zum Schutz der Behinderten
(KFPD) sowie Vorstandsmitglied der deutschen Behindertenselbst-
vertretungsorganisation ZUSAMMEN Hamhung e.V. Bis Ende 2016
arbeitete er ehrenamtlich als Vertretungsperson des Weltverbandes
der Gehörlosen in Pyongyang.

Mit freundlicher Genehmigung vom:

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